Nach unserem Besuch in Matthew Kenneys Rohkost-Gourmetrestaurant “Plant Food and Wine” in Miami (hier mein Bericht: Raw Food Kitchen: Lunch bei Matthew in Miami) war ich natürlich neugierig auf sein gleichnamiges Kochbuch „Plant Food“. Natürlich hätte ich das Buch gleich im Restaurant kaufen können, doch in Gedanken an meinen schweren Koffer verzichtete ich auf überflüssiges Gewicht und bestellte es in Deutschland. Erschienen ist “Plant Food” in den USA bereits 2014, die 1. deutsche Ausgabe erschien im Narayana Verlag 2015 in einer Softcover-Ausführung und kostet 19,80 €.
Beim ersten Durchblättern war ich sofort fasziniert von der Art, wie Stacey Cramp als Fotografin und Meredith Baird als Producerin die Rezepte in Szene gesetzt haben. Die Fotos unterstreichen die Schönheit des „Raw Food“ – als Bilderbuch ist es auf jeden Fall schon mal interessant!
Grob umschrieben kreiert Matthew Kenney, der ein ganzes Imperium aus Raw Food Restaurants, Kochschule, Online-Kochkursen, eigener Produktlinie und Stiftung aufgebaut hat, eine innovative Rohkostküche. Zusammen mit Scott Winegard kocht er vegan und „raw“, die Zutaten werden bei ihnen nicht über 47 Grad Celsius erhitzt. Doch wer denkt, dass die beiden nun Gemüse, Nüsse und Samen aus ihrem Garten auf die Teller werfen und evtl. noch ein paar Superfoods drumherum dekorieren liegt falsch!
Die Rezepte basieren auf drei Faktoren, so sagt Matthew: Zutaten, Technik und Innovation. Kurz gesagt verwendet er Bioprodukte um aus diesen mittels modernster Geräte ungewöhnliche Rezepte zu entwickeln. So gehören Dörrapparat, Räucherpistole, Sous-Vide Gerät, Sorbetmaschine oder Schockfroster zur ganz normalen Küchenausstattung.
Und ganz ehrlich – man benötigt zwar nicht für alle Rezepte des Buches diese High Tech-Geräte, doch ein Vakuumiergerät und ein Dörrapparat sollte neben dem Hochleistungsstandmixer schon vorhanden sein! 😯 Wer jetzt abwinkt und sich lieber nach einem anderen Kochbuch umsehen mag – ich kann es verstehen! Und es gibt weitere Facts, die dieses Buch für Menschen, die leicht umsetzbare Rezepte suchen nicht wirklich attraktiv macht! Während ich nämlich beim Durchblättern einerseits die Bilder bewunderte, zählte ich andererseits schon mal verstohlen die Zutaten der einzelnen Rezepte! Oha, 20 Ingredienzen sind durchaus keine Seltenheit und z.B. der Schokoladenkuchen bringt es auf 55! Ich habe das “Plant Food” auch nach diesen – für mich abschreckenden – Zahlen nicht zur Seite gelegt. Warum?
Matthew und Scott geht es nicht nur um die Nahrungszubereitung! Es ist aus meiner Sicht auch nicht eine bestimmte Weltanschauung, die mit dieser Art der Rohkostzubereitung transportiert wird. Hier wird Kunst „gemacht“. Mit dem Drang nach neuen, ungewöhnlichen Zusammenstellungen der Zutaten werden in diesem Buch Obst- und Gemüsegerichte vorgestellt, die die Sinne mit „ungewöhnlichen Aromen, spannenden Texturen und verlockenden Farbkombinationen betören“ (vgl. Klappentext). Eine einfache Umsetzung der Rezepte in der häuslichen Küche war wahrscheinlich nicht wirklich die Intention, dieses Kochbuch zu schreiben. Aber irgendwie bin ich „angefixt“ von der Idee, immer wieder neue Geschmacksexplosionen zu finden, weil ein paar Köche und Köchinnen den Mut haben, ungewöhnliche Wege der Zubereitung zu gehen. Die Kapitel des Buches verdeutlichen dies. Neben einer Einführung in “die neue Rohkostküche” und der Auflistung “moderner Geräte und Zutaten” sind die Rezepte eingeteilt in: Sammeln, Belassen, Sprossen, Pürieren, Dörren, Räuchern, Versiegeln, Einlegen, Pressen, Fermentieren, Reifen, Süßen und Trinken. Man ahnt es, in den Kapiteln werden dann Rezepte präsentiert, in denen z.B. die oben genannten Geräte zum Einsatz kommen. Doch obwohl bei der Zubereitung diverse Maschinen verwendet werden kommen im Endprodukt die einzelnen Zutaten sehr schön zur Geltung, werden wertgeschätzt und erhalten durch die Verarbeitung trotzdem eine verbindende neue Gesamtheit.
Unterstützt wird dies durch die minimalistischen Bilder und die Rezeptnamen, die sich manchmal über die ganze Buchbreite verteilen, da sie die Hauptzutaten aufführen, ähnlich der namentlichen Aufführung der Hauptdarsteller in einem Kinofilm: Geräucherte Kirschen. Echte Brunnenkresse. Rettich. Jicama. Ingwer Limette. Scharfe Kürbiskerne. Das ist nicht neu, aber wirkt in der Zusammenschau stimmig.
Natürlich habe ich auch einige Rezepte nachgekocht. Den Anfang machte ein Gericht, welches ich in ähnlicher Form in einem anderen veganen Restaurant in Miami gegessen habe. Dort schmeckte mir der Blumenkohl mit dem Aroma eingelegter Zitronen sehr lecker. Und voila, im “Plant Food” fand ich jetzt das Rezept dazu: Blumenkohl. Eingelegte Zitronen. Walnuss. Harissa.
Nachdem also die 25 Zutaten vollzählig waren (das dauerte mehrere Tage, da ich Kombu und eingelegte Zitronen bestellen musste) machte ich mich ans “Werk”!
Wie ich mich durch das Gourmet-Rezept gearbeitet habe und meine Kocherfahrung dabei ganz schön auf die Probe gestellt wurde, erfährst du hier: Blumenkohl. Eingelegte Zitrone. Walnuss. Harissa. – Helene kocht aus dem Rohkostbuch “Plant Food”!
Aber natürlich möchtest du jetzt wissen, ob ich das Buch nun empfehle! Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten! Wer simple und nachkochbare Rohkostrezepte sucht, wird mit dem “Plant Food” wahrscheinlich nicht glücklich. Die Rezepte verlangen viele Arbeitsschritte und manchmal funktionierten die Mengenangaben bei mir nicht, so dass improvisiert werden musste (mehr dazu im nächsten Blogbeitrag). Beim Rezept “Spargel Und Meerfenchel. Wacholder-Senf.” enthält der Senf gar keinen Wacholder, was mich etwas irritierte. Die Zutaten sind teilweise nicht so einfach zu beschaffen, z.B. Kombu oder Irish-Moss-Paste. Außerdem werden Geräte benötigt, die zumindest in meiner “normalen” Küchenausstattung nicht vorhanden sind.
Aber ….
Die Rezepte des Buches überzeugen durch Innovation und den Mut, ungewöhnliche Zubereitungswege in der Rohkost zu gehen. Sie sind für kreative Köche und Köchinnen sicherlich eine Inspiration und fordern auf, einfach mal neu zu denken. Ich werde demnächst etwas für mich Neues ausprobieren und mit der Alge Irish Moss experimentieren, die als Verdickungsmittel bisher vor allem in der amerikanischen Rohkostküche eingesetzt wird. Und viele kleine Kniffe, die in den Rezepten beschrieben werden, können tatsächlich in das alltägliche Zubereiten der Mahlzeiten übernommen werden. Der Verlag liefert zum Buch einen Flyer mit den verwendeten Zutaten, die online direkt bestellt werden können. Wer über das Internet bestellen möchte, kann auf diesem Weg die Zutatenbeschaffung erheblich vereinfachen.
Ach ja, die Wertschätzung der einzelnen Karotte, des Pilzes oder auch einer Kirsche mag übertrieben klingen, hat für mich aber auch etwas mit Dankbarkeit zu tun, die wir unserer Nahrung entgegenbringen sollten. Und nicht zuletzt ist das “Plant Food” einfach ein schönes Bilderbuch!
Schreibe einen Kommentar